Der Blatt-Tod kommt mit dem Wind

Ein Pilz bedroht die globale Naturkautschukproduktion

In vielen Anbauregionen weltweit ist der Rohkautschukertrag in den vergangenen Jahren um 20 bis 40 Prozent zurückgegangen. Ursache ist eine Pilz-Pandemie.

Die Pilz-Pandemie

2016 wurde auf einer Plantage im Norden Sumatras der erste größere Ausbruch von Pestalotiopsis festgestellt. Seither breitet sich die Krankheit mit rasanter Geschwindigkeit aus. Betroffen sind inzwischen Plantagen in Thailand, Malaysia und Indonesien – 70 Prozent der Weltgummiproduktion stammen aus diesen drei Ländern. Pestalotiopsis grassiert aber auch in Vietnam, dem drittgrößten Gummiproduzenten, in Indien und in China. Die Philippinen gehören nicht zu den großen Anbauländern, aber Gummi ist trotzdem eines der wichtigsten Exportgüter. Im März 2023 berichtete das Nachrichtenmagazin Rappler, dass in der Provinz Basilan der Notstand ausgerufen worden sei, weil 90 Prozent der Gummibäume Pilzbefall aufwiesen.

Hohe Luftfeuchtigkeit und starker Wind begünstigen die Verbreitung der Pilzsporen. Auf den befallenen Blättern bilden sich zunächst runde hellbraune Flecken, bei schwerem Befall werden die Blätter braun und fallen ab – daher der Name „leaf fall disease“, Blattfall-Krankheit. Laut einer Studie der landwirtschaftlichen Fakultät einer Universität auf Sumatra geht bei einem Baum, der die Hälfte seiner Blätter verloren hat, die Latexernte um 25 Prozent zurück; sind 75–90 Prozent der Blätter abgefallen, produziert der Baum um bis zu 75 Prozent weniger. Die nachwachsenden Blätter sind kleiner, die Baumkrone ist lichter, Zweige sterben ab und bei wiederholtem Befall stirbt der Baum. Die Sporen attackieren Gummibäume rund ums Jahr und in allen Entwicklungsstadien, Setzlinge und junge Bäume genauso wie alte, voll ausgewachsene. Die ersten Symptome sind erst vier bis 16 Tage nach der Infektion erkennbar. Die Wissenschaftler auf Sumatra untersuchten sechs Klone von Gummibäumen und stellten fest, dass die Anfälligkeit für Pestalotiopsis variiert, aber keiner der Klone resistent ist.

Versuche, den Pestalotiopsis-Sporen mit Fungiziden beizukommen, blieben bisher weitgehend erfolglos. Das ist wenig verwunderlich: um in den Baumkronen wirksam zu sein, muss das Fungizid sowohl vom Boden aus als auch von oben mit Drohnen ausgebracht werden. Und wenn die ersten braunen Flecken auf den Blättern aufgetaucht sind, ist es für die Anwendung sowieso zu spät, der jeweilige Baum ist bereits infiziert.

Gestresst und unterernährt

Auf vielen Plantagen wird inzwischen ein neuer Klon nachgepflanzt: auf einen schnell wachsenden Wurzelstock wird Material eines besonders ertragreichen Baumes okuliert. Die so erzeugten Bäumchen liefern mehr Latexmilch. Mit dem Zapfen kann ein Jahr bis eineinhalb Jahre früher begonnen werden als bislang üblich. Die Kehrseite ist, dass auch Gummibaum-Hochleistungssorten gestresst und damit krankheitsanfälliger sind als weniger leistungsstarke Bäume. Es wird vermutet, dass die massive Ausbreitung von Pestaloptiosis 2022 auch eine Folge des Düngermangels in vielen Regionen sein könnte. Der durch den Laubfall verursachte Ertragsrückgang liegt auch bei manchen Plantagen deutlich niedriger, wenn ausreichend gedüngt wird.

Ein weiteres Problem ist der Anbau in Monokulturen. Dort, wo Kleinbauern Mischkulturen unterhalten und Gummibäume einzeln oder in kleinen Gruppen zwischen mehreren anderen Nutzholzarten stehen, ist Pestalotiopsis kein oder zumindest nur ein geringeres Problem. Noch besser als Mineraldünger wäre die Ausbringung von Kompost. Aber was für Kleinbauern machbar ist, lässt sich auf einer Plantage nicht verwirklichen, die benötigten Kompostmengen sind viel zu groß.

        Palmöl statt Gummi

        Ein riesiges Problem in fast allen wichtigen Herkunftsländern ist, dass aufgrund von Pestalopiopsis Gummibäume nicht mehr nachgepflanzt werden. Die Plantagen unterhalten keine Baumschulen mehr. Stattdessen werden auf großen Flächen selbst noch produktive Gummibäume herausgerissen und durch Ölpalmen ersetzt. Palmöl erzielt im Gegensatz zu Naturkautschuk einen sehr guten Weltmarktpreis, die Ölpalmen tragen bereits nach vier Jahren, werfen also deutlich früher Gewinne ab. Die Arbeit in Palmölplantagen kann von ungelernten Arbeitern gemacht werden, ist aber körperlich sehr anstrengend, weshalb in der Regel nur Männer beschäftigt werden. Gummizapfen ist physisch weniger anstrengend, aber es will gelernt sein.

        Angesichts der Verbreitung von Pestalopiopsis ist die Verfügbarkeit von Naturkautschuk nicht mehr selbstverständlich. Wenn etwa Reifenfirmen und andere Verarbeiter verhindern wollen, dass auf immer mehr Plantagen Gummibäume durch Ölpalmen ersetzt werden, dann muss der Teufelskreis aus niedrigen Weltmarktpreisen und dem daraus resultierenden Zwang, in immer kürzerer Zeit immer mehr Latexmilch zu produzieren, unterbrochen werden. Die Unterstützung der Produzenten durch höhere Preise, Investitionen in Forschung bezüglich Pflanzenernährung und Züchtung resistenter Klone sowie die Förderung des Anbaus in Mischkulturen wären wichtige Schritte. Der Fair Rubber Verein ist hierbei ein wichtiger Partner.

        Eine längere Fassung dieses Artikels erschien im Magazin Der Eilbote, Nr. 14/2023. 

        © FRA
        Die Blattfallkrankheit breitet sich aktuell aus
        © M.Kunz
        Fair Rubber garantiert Zapfer*innen ein besseres Einkommen.
        © M.Kunz
        Höhere Weltmarktpreise: Palmölplantagen verdrängen den Kautschukanbau.