Das Glück duschen zu können

W. J. Christian sitzt auf dem Boden seines Schuppens, um ihn herum stapeln sich Werkzeuge, Ersatzteile, Alteisen und Kabel. Aus dem von einem dichten Zaun umgebenen Areal hinter Herrn Christians Holzverschlag ist fröhliches Kreischen zu hören – vier Jungen probieren die neuen Duschen aus. Bevor die öffentliche Gemeinschaftsdusche unter freiem Himmel installiert wurde, konnte man sich nur im nahegelegenen Bach waschen.Die Duschen sind ein Teil des Fair Trade-Wasserprojekts und dass sie gleich hinter Herrn Christians Werkstatt gebaut wurden, hat seinen Grund: Er kann sie ohne Hilfe erreichen. Der 52-jährige erkrankte als Baby an Polio, seine Beine sind verkrümmt und ohne Muskeln, fortbewegen kann er sich nur mühsam auf allen Vieren. "Durch das Wasserprojekt bin ich viel unabhängiger geworden", sagt er. Jetzt kann er nicht nur ohne Hilfe baden, die Dorfbewohner haben auch eine der zwölf gemeinschaftlich zu nutzenden Trinkwasserhähne direkt hinter dem Haus von Herrn Christian installiert, was bedeutet, dass er nicht ständig seine Tante oder Nachbarn bitten muss, ihm Wasser zu holen.Geholfen hat ihm jeder gern, denn W. J. Christian ist bekannt für sein handwerkliches Geschick – was er nicht reparieren kann, das gehört wirklich auf den Müll. 1995 konstruierte er in nur sechs Monaten ein motorisiertes Dreirad, niedrig genug, dass er ohne Probleme auf- und absteigen kann. Seitdem fährt er nicht nur sonntags zur Kirche, sondern er kann auch Kunden überall auf der Plantage erreichen – ob jemand neue handgefertigte hölzerne Fensterrahmen braucht oder ein Ventilator mit einem neuen Kabel versehen werden muss, mit seinem Talent und seiner präzisen Arbeitsweise hat W. J. inzwischen einen Ruf, der über die Grenzen der Plantage hinausreicht. Doch den größten Teil seiner Arbeit erledigt er in seiner Werkstatt: Vor mehr als 20 Jahren fragte ihn ein Plantagenmanager, ob er die Messer der Gummizapfer schärfen könne – natürlich konnte W. J. Christian das und tut es bis heute. Ungefähr eine Stunde braucht er, um das Zapfmesser, das einem Holzmeißel ähnelt, wieder herzurichten und gebrauchsfähig zu machen. Bis zu zehn Messer schärft er pro Tag, pro Stück bekommt er 180 Rs und zusammen mit seinen anderen Aufträgen verdient er genug zum Leben.

Das Fair Trade-Wasserprojekt kommt 72 Familien zugute, sechs Familien teilen sich einen Trinkwasserhahn und alle nutzen die vier Duschen. Jede Familie zahlte eine einmalige Summe von 100 Rs für die Installation des Wasserhahns und monatlich 20 Rs für die Wassernutzung. Das Geld wird von den Mitgliedern des Wasserkomitees eingesammelt, die ihrerseits für die regelmäßige Kontrolle und Wartung der Hähne und Zuleitungen zuständig sind – d.h. die Familien zahlen für einen Service, den das Wasserkomitee zu leisten hat. Die Mitglieder des Fair Trade-Komitees sind der Auffassung, dass ein kleiner finanzieller Beitrag der Nutznießer dazu führt, dass sie das Projekt als das ihre sehen und verantwortlich damit umgehen. Noch in diesem Jahr werden die Familien eine Wasseruhr kaufen können (die Kosten liegen bei 2.000 Rs und können über zwei Jahre abbezahlt werden). Erst dann wird eine separate Leitung gelegt, so dass die Familien einen Wasseranschluss direkt in ihrem Haus haben: Eine große Veränderung in einer Gemeinde, in der bisher zwei bis drei Monate im Jahr die nächstgelegene Wasserquelle austrocknete und jeder Liter Wasser mehr als 500 Meter weit von einer anderen Quelle herangeschleppt werden musste

Die Familien leben in als ‚Lines’ bezeichneten Gebäuden, eine Form der Unterbringung, die von den Briten im 19. Jahrhundert auf Gummi- und Teeplantagen eingeführt wurde. Jede Familie bewohnt zwei Räume in einem langgestreckten, eingeschossigen Gebäude, die von einer Veranda aus zugänglich sind. Aber durch den Tempel, die Bushaltestelle und einen riesigen Peepul-Baum haben die ‚Lines’ in Udabage fast den Charakter eines kleinen Dorfes. Und die Bewohner haben offensichtlich Gemeinsinn und Verantwortungsbewusstsein: Dass die Duschen so nahe wie möglich an W. J. Christians Haus und Werkstatt gebaut werden würden, das stand von Anfang an fest.