Bei Lieferantenpartnern des Fair Rubber Vereins, die Plantagen sind, entscheidet der sog. ‚joint body’ (ein repräsentatives, von der Plantagenbelegschaft gewähltes Gremium) darüber, wofür Fair Trade Prämien ausgegeben werden. Und über die Jahre sind einige überraschende Entscheidungen gefällt worden. Hierfür zwei Beispiele:
S.V. Chitra ist Vorarbeiter auf der Gummiplantage New Ambadi im südindischen Staat Tamil Nadu. Als seine jüngere Tochter Vasudevan heiratete, bewilligte der ‚joint body‘ einen zinslosen Kredit von Rs 40.000 (ca. Euro 480). Das Geld wurde nicht für die Bewirtung der etwa eintausend Hochzeitsgäste gebraucht (glücklicherweise ist es in Tamil Nadu üblich, dass die Gäste ein Geldgeschenk machen, das die Kosten für Essen und Getränke abdeckt). Der Kredit diente dazu, für Vasudevans Goldschmuck zu kaufen.In den Goldbasar der nahegelegenen Stadt zu fahren um Goldketten und Armreifen zu kaufen klingt wunderbar, aber darum geht es nicht, Schmuckkauf ist vor allem eine finanzielle Investition. Obwohl Vasudevan am Hochzeitstag Mitglied der Familie ihres Mannes wurde, gehört ihr Schmuck weiterhin nur ihr, sie verfügt darüber. Der Tradition folgend wird sie am Hochzeitstag ihrer Tochter einige Stücke schenken, so wie ihre Mutter das bei ihr getan hat. Dieses Arrangement beinhaltet eine unausgesprochene Botschaft: Sollte Vasudevan sich mit ihrem Mann überwerfen und sich scheiden lassen, dann könnte sie ihren Schmuck verkaufen und hätte genug Geld, um ein neues Leben zu beginnen.Auf diese Weise verändert ein zinsfreies Darlehen, das über eine Fair Trade Prämie finanziert wurde, das Leben einer indischen Familie: Das von S.V. Chitra, der sich für die Heirat seiner jüngsten Tochter nicht verschulden musste. Und das von Vasudevan, der es die Freiheit gibt, über ihre Zukunft selbst zu entscheiden.
Bei der Sapumalkande-Plantagengruppe von Lalan in Sri Lanka hat der ‚joint body‘ Geld investiert für Gegenstände, die anlässlich von Festen und Feiern ausgeliehen werden können. Von Hochzeiten bis Beerdigungen ist im Schnitt mit 50-300 Gästen zu rechnen – und wenn alles, was für eine Feier nötig ist, von einem kommerziellen Verleih geholt werden muss, ist das teuer. Der ‚Festverleih’, den der ‚joint body‘ aufgebaut hat, besteht aus drei ‚Kochtopftürmen’ mit je acht Gefäßen, von 20×40 cm bis 43×86 cm. Außerdem gibt es Pfannen, Schöpfer – und drei Festzelte. Vor dem Kauf führte der ‚joint body‘ eine Ausschreibung durch, die mehr Wert auf Qualität als auf einen günstigen Preis legte.Und dann kann auch noch eine Lautsprecher- und Musikanlage ausgeliehen werden – allerdings nur mit Betreuung durch Dhammika. Normal arbeitet Dhammika im Büro der Plantage, für einen Tag Aufsicht über die Anlage bekommt er ein Taschengeld in Höhe von SLR 750 (ca. EUR 3,40; zum Vergleich: Die Leihgebühr für den größten Topf beträgt EUR 0,50/Tag). Durch den Verleih über den ‘joint body‘ sparen die Nutzer im Vergleich zu kommerziellen Anbietern rund ¾ der Kosten.Häufig ist eine Beerdigung der Anlass für den Verleih. Früher mussten sich Hinterbliebene verschulden, um die Trauerfeier zu finanzieren, oder sie waren Mitglieder in ‚Beerdigungs-Sparvereinen’, die einen monatlichen Beitrag von SLR 100-200 nehmen.Natürlich sind Todesfälle ein trauriger Anlass – aber zumindest kommt für die Plantagenbelegschaft zur emotionalen Belastung nicht noch eine Verschuldung dazu.